W I N T E R

~ Nun ist er weg. Schweren Herzens mussten wir ihn verlassen. Lange haben wir ihn genossen, den langen, hellen, warmen und freudebringenden Sommer.

Vor ein paar Wochen ist nun der Winter eingekehrt. Gewöhnungsbedürftig ist er. Kalt, dunkel, nass... ~

 

Ja, auch in Santiago de Chile kommt einmal im Jahr der Winter. Es regnet viel, es ist kalt und die Smogschickt über der Stadt wird immer dicker.

Doch an einer Sache erfreue ich mich jeden Tag aufs Neue, wenn ich aus dem Fenster unseres Klassenzimmers schaue. Die nun mit Schnee bedeckten Berge. Am morgen, wenn die ganze Stadt noch im Nebel eingehüllt ist sind sie meist noch nicht zu sehen. Doch nach und nach kommen sie zum Vorschein. Erst kürtzlich kam Giacomo aus meiner Klasse zu mir und erzählte mir, wie schön er die Berge findet und wie gerne er  einmal eine Wanderung dort machen möchte. So viele Menschen leben in Santiago und all diese Menschen sehen jeden Tag die gigantischen Bergketten. Und doch gibt es nicht sehr viele, die sie besteigen. Auch ich lebe nun schon zehn Monate hier und habe es vielleicht gerade drei Mal geschafft richtig wandern zu gehen.

Letztes Wochenende zum Beispiel haben wir mal wieder eine Wanderung in die Anden unternommen. Diesmal genau auf den Berg, den ich täglich vom Colegio aus sehe. Die Aussicht war durch den Smog ein wenig begrenzt, doch trotzdem ist es immer wieder wunderschön, den Ausblick auf eine solch riesige Stadt zu genießen.

Doch neben den schönen Bergen gefällt mir leider nicht sehr viel am Winter hier in Santiago. Bei jedem Regen verwandeln sich die Straßen in unserem Viertel in Flüsse, da es kein Abflusssystem gibt, und egal wo man ist, ist es kalt. In den Häusern hier gibt es keine Zentralheizung, das heißt man heizt mit kleinen Elektroheizkörpern, Paraffinöfen oder Gasöfen. Da viele mit Elektroheizkörpern heizen kommt es in letzter Zeit auch immer wieder zu Stromausfällen in der Schule, aber auch bei uns zu Hause. Deshalb haben wir seit letzter Woche nun endlich einen Gasofen. Da das Haus jedoch ziemlich schlecht isoliert ist, hält sich die Wärme leider nicht so wirklich lange und es bleibt einem nichts anderes übrig als sich drei Schichten Pullis anzuziehen, eine Wärmflasche zu machen und Tee zu trinken...

Auch in der Schule erscheinen immer weniger Kinder, was ich mittlerweile auch verstehen kann. Da die Schule sehr offen ist, sich vieles daußen abspielt und auch immer wieder Fenster kaputt sind, ist es überall wahnsinnig kalt. Man erkältet sich somit sehr schnell, wenn man den ganzen Tag in der Kälte sitzt. Verständlich also, dass die Eltern ihre Kinder zu Hause lassen, damit sie nicht krank werden.

An diesen Beispielen sieht man finde ich sehr gut, dass Chile in manchen Sachen eben doch noch sehr rückständig ist. Es ist zwar kein Entwicklungsland mehr, wie Bolivien oder Peru, doch es gibt noch einiges, was man verändern kann.

 

 

Jedes Mal, wenn ich den Kindern das Datum an die Tafel schreibe merke ich, wie wenig Zeit mir eigentlich noch bleibt hier in Chile. Da überlegt man sich natürlich, wie man diese noch verbringen möchte. Ich habe mir zu allererst vorgenommen, die Zeit mit den Kindern zu genießen. Jeden Tag schaffen sie es, mich zum verzweifeln zu bringen, da sie einfach unglaublich unerzogen sind, doch auf der anderen Seite schaffen sie es auch jeden Tag mir ein Lachen ins Gesicht zu zaubern und mich glüklich zu machen. Das werde ich vermissen!

Auch gibt es in Santiago noch immer wahnsinnig viel zu entdecken. Museen, Konzerte, Kunstveranstaltungen und, und, und. Gestern erst war ich gemeinsam mit meinen WG-Mitbewohnern bei einem Salsa-Kurs, der im Innenhof des Gabriela-Mistral-Zentrums stattfand. Immer wieder sieht man in der Stadt Menschen, die sich auf den verschiedensten Plätzen treffen und gemeinsam tanzen. Egal ob man nur zusieht oder mitmacht, beides macht Spaß.

Immer wieder bemerke ich, wie viel Spaß es mir macht, Zeit im Zentrum zu verbringen, einfach rumzuschlendern, Menschen zuzusehen und Neues auszuprobieren und zu entdecken. Was ich immer wieder super finde, sind die Straßenstände. Egal was man braucht, man findet alles! Regnet es, werden sofort Regenschirme verkauft, für den Winter findet man an jeder Ecke Schals und Socken und Essen gibt es sowieso alle fünfzig Meter.

Das Leben hier ist nun so normal für mich geworden, dass ich mir zur Zeit gar nicht vorstellen kann, wie es wieder in Deutschland sein wird. Doch noch bleibt mir Zeit, und diese werde ich genießen!

 

Un gran abrazo de Santiago de Chile!

Anna

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